Inflation befördert finanzielle Repression

 In Allgemein

Von Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der auf Risikomanagement spezialisierten Quant.Capital Management GmbH

Stark anziehende Preise drücken die Realzinsen tief ins Minus. Diese liegen derzeitige in der Nähe der Tiefststände während der Ölkrise in den 1970er-Jahren und haben damit eine neue Qualität erreicht. Der Gipfel der Preissteigerungen ist wohl noch nicht erreicht. Und da die EZB sich, so gut es geht, gegen jegliche Zinserhöhung sträuben wird, drohen Sparern nun neue Rekordtiefs sowie mehrere Monate ausgesprochener finanzieller Repression.

Quellen: Deutsche Bundesbank, eigene Berechnungen

Die USA meldeten gerade einen Preisschub von rund fünf Prozent, in Deutschland liegt die Inflationsrate bei immerhin der Hälfte. Die Höhe der Inflation für sich genommen ist, zumindest in der offiziellen Lesart, dabei noch nicht besorgniserregend. Eine Inflationsrate von 2,5% liegt noch in der Nähe der von der EZB definierten Zielmarke von „knapp unter, aber nicht über 2,0%“. Für die Eurozone wurde diese Marke mit einem Wert von genau 2,0% sogar recht solide getroffen. In Verbindung mit den niedrigen Zinsen führt die aktuelle Inflation aber zu historisch niedrigen Realzinsen für Sparer. Minus 2,4% Prozent p.a. beträgt die reale Rendite auf Sichteinlagen für Mai, wenn man die jüngsten Daten von Deutscher Bundesbank und Statistischem Bundesamt zugrunde legt. Der Tiefpunkt war 1973 erreicht. Damals lagen die Realzinsen bei ca. -2,7% Prozent. Stärker noch als heute waren es die Energie- beziehungsweise Ölpreise, die die Inflation antrieben und selbst die damals noch deutlich höheren Nominalzinssätze übertrafen.

Dabei sind negative Realzinsen zunächst einmal nicht ungewöhnlich, sondern eher die Norm. Selbst bei nominal höheren Zinssätzen verloren Sparer Geld, wenn die Inflationsraten eben noch höher lagen. Die für Sparer relevanten Zinsen, also die Zinsen nach Abzug der Geldentwertung durch Inflation, waren nach Daten der Deutschen Bundesbank seit Beginn der Erhebung 1967 sogar die meiste Zeit über negativ (siehe Grafik). Der Mittelwert des Realzinses seit 1967 liegt bei minus -0,1 Prozent. Auf die Zeit gesehen lagen die Zinsen in 57 Prozent der betrachteten Zeiträume im Minus, nur zu 43 Prozent im Plus.

Noch Anfang des Jahres gab es dank rückläufiger Inflationsraten sogar einen Ausbruch der Realzinsen in den positiven Bereich. Dieser war allerdings sehr kurz und der anschließende Rückgang sehr steil. Die Ursache dafür ist der sehr schnelle Anstieg der Inflationsraten. Selten zuvor in der Geschichte haben die Preise aus dem Stand heraus so schnell angezogen, nie zuvor lagen und blieben die Nominalzinsen gleichzeitig so niedrig. Früher ging eine Zunahme der Inflationsraten auch immer mit Gegenbewegungen der Notenbanken einher, die die Leitzinsen anhoben. Diesmal lassen die Notenbanken angesichts der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und die ausufernde Staatsverschuldung die Zinsen aber auf dem niedrigen Niveau und akzeptieren damit den Absturz des Realzinses.

Schaut man sich die Dynamik der Inflation in den USA an, so kann man vermuten, dass auch in der Eurozone das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Die Inflationsraten dürften also zunächst einmal noch auf deutlich über 2% ansteigen. Wir gehen davon aus, dass die Beharrungskräfte innerhalb der EZB stark genug sind, um auch einen Bereich von drei bis vier Prozent über einige Monate zu dulden ohne einen Zinsschritt. Anders wäre es aus unserer Sicht nur, wenn der Inflationsanstieg sich noch einmal deutlich beschleunigt oder unerwartet hoch ausfällt. Mit anderen Worten, sollten die Inflationsraten im Euroraum in den kommenten Monaten nicht noch überraschend und sehr deutlich ansteigen, dürfte zumindest die EZB ihren aktuellen Kurs noch eine ganze Weile beibehalten. Für Sparer, die mittels Sparbuch oder anderer Sichteinlagen für die Zukunft vorsorgen, würde dies eine Zeit finanzieller Repression bedeuten, die in ihrer Tiefe und Länge tatsächlich historische Ausmaße annehmen wird.

Recent Posts

Start typing and press Enter to search