Inflation: eine Sache des Vertrauens!
Von Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der auf Risikomanagement spezialisierten Quant.Capital Management GmbH
In den vergangenen Monaten hat sich die Preissteigerung beschleunigt, das Thema Inflation steht wieder auf der Agenda. Die Gründe sind vielschichtig, die meisten kurzfristig und damit für Anleger von vorübergehender Bedeutung. Doch ein Risiko bleibt: Wenn die Nutzer des Geldes das Vertrauen in die Währung verlieren, wird aus gewollter Preissteigerung schnell eine zu hohe Inflation.
In den vergangenen Monaten begannen die Preise insgesamt einen deutlich sichtbaren Preisantieg, und zwar sowohl für die Produzenten als auch für die Verbraucher. Dabei steigen die Preise zumeist aus nachvollziehbaren Gründen: Die Mehrwertsteuersenkung lief aus, CO2 wurde teuer, Krisen weltweit sorgten für Druck auf die Ölpreise, auch die Blockade des Suez-Kanals trug ihren Teil bei. Alle diese Treiber waren bekannt, wurden eingepreist und haben die Märkte nicht oder nur kurzfristig beunruhigt.
Anders war es schon bei den nicht ganz so offensichtlichen Themen. Der Nachfragestau infolge der Coronakrise, gepaart mit historisch hohen Sparquoten, sorgt für einen regen Nachfrageschub. Vor vielen Geschäften bilden sich, zumindest im westdeutschen „Quasi-Lockdown“, Warteschlangen. Diese Nachfrage trifft auf z.T. leere Lager und heruntergefahrene Lieferketten, nicht nur bei Mikrochips. Wir hatten angesichts dieser Mischung aus Angebotsknappheit bei gleichzeitig steigender Nachfrage bereits einen schnellen Inflationsschub prognostiziert – und dieser tritt nun ein. Solange die Zentralbanken sich nicht gezwungen sehen, unerwartet die Zinsen anzuheben, ist dies alles aber nicht weiter Besorgnis erregend.
Das bisherige Geschehen ließ sich gut anhand volkswirtschaftlicher Entwicklungen und Daten vorhersehen. Schwieriger wird es da, wo Zahlen ihre Macht verlieren. Die Inflation ist in den vergangenen Jahren, spätestens seit Einführung des Euro, immer weiter von den Statistikern auf eine reine Zahlengröße reduziert wurden. Es scheint fast so, als wäre Inflation ausschließlich das Ergebnis fassbarer, logischer und in sich schlüssiger Formeln. Das funktioniert aber nur so lange, wie die Menschen darauf vertrauen können, dass die Zentralbanken die Kontrolle über den Wert des Geldes haben, denn der Wert einer Währung beruht auf dem Vertrauen, das die Menschen in sie setzen.
Vertrauen ist das höchste Gut einer Währung. Geht das Vertrauen verloren, verliert die Währung an Wert und irgendwann auch ihre Funktion zur Wertaufbewahrung. Denn, wer nicht weiß, dass er morgen noch mit dem Geld auf dem Konto ungefähr so viel kaufen kann wie heute, wird andere Formen der Wertaufbewahrung nutzen. Das können andere Währungen sein, aber auch etwa Gold oder Sachwerte. Den Notenbanken entgleitet in einer solchen Situation die Kontrolle über den Geldwert, sie verlieren ihren Einfluss auf die Währung, und damit auf Wirtschaft und Wohlstand.
Bild „Geldwert Venezuela“
Quelle: Bloomberg
Die derzeit steigende Inflation geht durchaus mit einer Unsicherheit einher, wie lange die Staaten noch die gewaltige Schuldenlast stemmen können, die sie in der Pandemie – und auch zuvor schon – aufgebaut haben. Diese Unsicherheit kann umschlagen in Vertrauensverlust, mit der Folge, dass der Geldwert schneller sinkt, als das der Wirtschaft vor Ort aber auch weltweit gut bekommt. Solch eine Entwicklung dürfte sich nicht erst mit langem Vorlauf ankündigen. Vertrauen braucht meist lange, um aufgebaut zu werden, kann aber sehr schnell verloren gehen, mit dann schmerzhaften Auswirkungen, wie die geschichtlichen Erfahrungen zeigen. Noch erscheint die Eintrittswahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung für die Eurozone gering zu sein. Noch muss niemand Panik haben. Aber, berücksichtigt man diverse Faktoren wie die massive Schuldenausweitung im Euroraum, die wundersame Geldvermehrung oder auch die lauten Stimmen vieler populistisch getriebener „Euroskeptiker“, baut sich hier ein reales Risiko auf, das zumindest in der strategischen Szenarioanalyse berücksichtigt werden sollte.