Im Bondmarkt schlummern große Risiken – nicht alle sind auf Anhieb sichtbar
von Alexander Schroer, CFA, Leiter Portfoliomanagement
Im Bondmarkt schlummern große Risiken – nicht alle sind auf Anhieb sichtbar
An den Bondmärkten sind in den letzten Jahren die Renditen stetig gesunken. Das liegt unter anderem an den Anleihekaufprogrammen der EZB. Diese hat seit 2014 im großen Stil zuerst Staatsanleihen und ab dem Jahr 2016 Unternehmensanleihen aufgekauft, um die Staatsschuldenkrise und deren Folgen einzudämmen (s. Grafik). Diese Kaufprogramme sollen in nächster Zeit zurückgefahren bzw. letztendlich beendet werden.
Was bedeutet das für die Kapitalanlage im Jahr 2018?
So wie die Käufe der EZB Nachfrage nach Rentenpapieren erzeugt und somit deren Preise nach oben getrieben haben, ist die Vermutung naheliegend, dass eine Rückführung dieser Nachfrage zu fallenden Preisen führen könnte. Davon würden nicht nur neue Emissionen, sondern auch die Bestandsportfolien aller Investoren betroffen. Die fallenden Preisen führen dabei zu ansteigenden Renditen, die sich aus dem „sicheren“ Zins und Bonitätsaufschlägen (Spreads) zusammensetzen. Ansteigende Spreads waren in der Finanzkrise wesentliche Treiber von Verlusten von Anleiheportfolien. Sind Investoren heute darauf vorbereitet?
Können Investoren diese Verluste tragen?
Viele Investoren haben Restriktionen, die sich aus der Bilanzierung, der ökonomischen Risikotragfähigkeit oder einfach aus der psychologischen Verlusttoleranz ergeben. Möchte man also auf Verluste reagieren bzw. das Auftreten weiterer Verluste begrenzen, kann die Risikoexponierung durch den Verkauf von Titeln reduziert werden. Genau hier beginnen aber die Schwierigkeiten. Denn die Anleihenmärkte sind, bedingt z.B. durch die Regulierungsmaßnahmen der letzten Jahre, nicht mehr so aufnahmefähig, wie sie es mal waren. Das heißt, dass Verkäufe von Bonds häufig nur in kleinen Mengen und wenn, dann nicht kurzfristig möglich sind. Insbesondere in Krisenphasen, in denen schnelles Handeln erforderlich ist, können dadurch weitere Verluste entstehen.
In der folgenden Grafik ist die Wertentwicklung von europäischen Unternehmensanleihen im Jahr 2008 abgebildet. Deutlich zu sehen sind die ausgeprägten Verluste in der zweiten Jahreshälfte. Man sieht auch, wie schnell die Abwärtsbewegungen z.T. sein können. Selbst bei Investment Grade Unternehmensanleihen traten Verluste in Höhe von über 10% auf. Bei den Hochzinsanleihen musste man sogar über 30% Verluste tragen können. In rentenlastigen Portfolien, wie sie bei vielen institutionellen Investoren üblich sind, führen solche Verluste zu einer kritischen Lage. In diesen Phasen kehren erfahrungsgemäß viele Anleger vom Buy-and-hold Ansatz ab und möchten die Risiken in ihren Portfolien reduzieren. Angesichts der schwachen Liquiditätssituation an den Märkten dürfte das aktuell schwierig werden.
Unter der Oberfläche – Mangelnde Liquidität an den Bondmärkten
In einer Studie der AFME (Association for Financial Markets in Europe) aus dem Jahr 2012 wurde die Liquidität der Bondmärkte über ein Jahr untersucht[1]. Diese Zahlen wirken auf mich sehr beunruhigend, denn man erkennt, dass gerade in den risikobehafteteren Kategorien eine ziemlich geringe Zahl an Transaktionen stattfindet. Der rasche Abbau von größeren Risikoexposures wird also in Krisenzeiten vermutlich schlichtweg nicht möglich sein. Schlimmer noch, die Liquidität dürfte sich in den letzten Jahren tendenziell weiter verringert haben.
Was ist zu tun?
Ich halte es für sinnvoll, sich für dieses Szenario rechtzeitig zu rüsten. Nutzen Sie Kreditderivate. Genauer: Schaffen Sie die administrativen Voraussetzungen, um diese in Zukunft einsetzen zu können. Es empfiehlt sich dabei, auf standardisierte, marktgängige Instrumente zu setzen, deren Komplexität beherrschbar bleibt und die über eine ausreichend hohe Transparenz verfügen. Der Einsatz dieser Instrumente erfordert zwar einen gewissen Aufwand, erschließt aber eine neue Handlungsfähigkeit. Diese Instrumente bieten u.a. eine deutlich höhere Liquidität als die Anleihemärkte bei geringeren Transaktionskosten. Außerdem können einzelne Risikokomponenten gezielt gesteuert werden. So kann etwa eine Reduktion des Spreadrisikos im Portfolio erwünscht sein, ohne dass dabei die Duration verändert wird – wenn z.B. die Duration zur Bedeckung von Verpflichtungen benötigt wird. Mittels Credit Default Swaps können Anleger gezielt die Spreadrisiken steuern. Die Vorteilhaftigkeit z.B. des Einsatzes von CDS gegenüber Anleihentransaktionen lässt sich gut quantifizieren. Wir werden uns hiermit an dieser Stelle noch beschäftigen.
[1] An analysis of fixed income trading activity in the context of MIFID II, afme, September 2012